005 - Elisabeth-Gedächtnishäuschen
Zur Geschichte:
Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 2.5.1905
In Erledigung des Ansuchens des Aktions-Comitees des „Gföhler Pflegschaftsrates“ vom 10. 4. 1905 betreffend die Überlassung der, der Gemeinde Gföhl eigentümlichen Ackerparzellen Nr. 1012
und 1013, EZ 281 zur Erbauung eines Waisen- und Erziehungshauses für arme Kinder samt öffentlichen Spiel- und Turnplatz wird einstimmig beschlossen:
Die Gemeindevertretung Gföhl begrüßt die von Herren Proponenten angeregte Aktion betreffend die Erbauung eines Waisen- und Erziehungshauses in Gföhl aufs wärmste und stellt zur Realisierung
die-ser Aktion den fraglichen Acker unentgeltlich zu Verfügung mit der Berechtigung, auf diesen Grund-stück sofort das geplante Elisabeth-Gedächtnishäuschen sowie Parkanlagen zu errichten und
das geplante Waisen- und Erziehungshaus innerhalb fünf Jahren zu erbauen, mit dem ausdrücklichen Vorbehalte jedoch, daß bis zur Vollendung des Waisenhauses die Gemeinde Gföhl Eigentümerin
dieses Grundstückes bleibt und mit der weiteren Bedingung, daß dieses Projekt von einer der ersten Generalversammlung des Kinderschutz- und Waisenhausvereines genehmigt wird. Sollte jedoch die
Durchführung dieses Projektes nach Ablauf der nächsten fünf Jahre nicht erfolgt sein, so bekommt die Gemeinde Gföhl über dieses Grundstück das volle freie Verfügungsrecht und gehen alle bis
dahin auf diesem Grundstücke errichteten Bauten und Anlagen in das Eigentum der Gemeinde Gföhl über
Aus der Lokalpresse
Kremser Zeitung, 17.6.1905
Gföhl. (Waldviertler Kinderhilfstag.) Der Wiener Kinderhilfstag hat schnell einen Nachfolger gefunden. Sein großer Erfolg hat unseren Bezirks-Kinderschutz- und Waisenhaus-Verein, dem
unter der Patronanz des Bezirksgerichtes Gföhl stehenden „Gföhler Pflegschaftsrat“ die Anregung gegeben, Mitte August d. J. in Gföhl einen „Waldviertler Kinderhilfstag“ zu veranstalten, dessen
Erträgnis dem Bezirkswaisenhaus-Baufonds zugeführt werden wird. Der Verein hat bereits die notwendigen Schritte eingeleitet, um den „Waldviertler Kinderhilfstag“ zu einem Volksfest im größten
Stil zu gestalten. Aus dem Programm heben wir insbesonders die Grundsteinlegung zum Bezirks-Waisenhaus, verbunden mit der Eröffnung des „Kaiserin Elisabeth-Erinnerungs-Häuschen“ hervor. Da das
projektierte Be-zirkswaisenhaus den Namen unserer verewigten Kaiserin, deren Leben nur der Menschenliebe und Barmherzigkeit galt, tragen soll, hat der Verein beschlossen, dem Andenken an die
hohe Frau ein eigenes Häuschen zu widmen, das berufen erscheint, eine hervorragende Waldviertler Sehenswürdigkeit zu werden. Es wird nach den Plänen eines Wiener Architekten, der seine vornehme
Kunst selbstlos in den Dienst des Vereines gestellt hat, erbaut. Die plastische Ausgestaltung des Innenraumes hat einer der bedeutendsten Wiener Bildhauer in hochherziger Weise übernommen. So
wird es dem Vereine möglich, zugleich ein künstlerisch erziehliches Problem zu lösen: während ein großer Teil unserer Bevölkerung an den schönsten plastischen Denkmälern verständnislos
vorübergeht, wird unser Kaiserin-Elisabeth-Erinnerungs-Häuschen gleichsam eine lebendige, volkstümliche, künstlerische Biographie werden; Architektur, Malerei und Plastik werden, zu einem
harmonischen Ganzen vereint, den Lebensgang der hohen Frau in einer jedermann verständlichen Sprache erzählen. Schließlich sei noch erwähnt, daß unser Ehrenbürger, Herr Karl Lechner senior,
sich auch unseres Kinderschutzes und Waisenhaus-Vereines warm annimmt und daß – abgesehen von Gföhl – die Gemeinden Idolsberg, Rastenfeld, Brunn und Gföhleramt sich an dem Vereine in besonders
anerkennenswerter Weise beteiligen.
Kremser Zeitung, 26.8.1905
Gföhl. (Gföhler Pflegschaftsrat.) Der 21. August war ein denkwürdiger Fest- und Ehrentag für den Bezirks-Kinderschutz- und Waisenhaus-Verein. Seine kaiserliche Hoheit Herr Erzherzog
Rainer, der sich am Vortage beim Empfange des Vizepräsidenten, Bezirksrichters Blumenthal, über Ziele und Be-strebungen des Vereines eingehend hatte berichten lassen, zeichnete den Verein durch
die Besichti-gung des Waisenhaus-Bauplatzes und des auf diesem errichteten Kaiserin Elisabeth-Gedächntnis-Häuschens aus. Obwohl der Herr Erzherzog sein Erscheinen für ein halb 4 Uhr nachmittags
erst eine Stunde vorher bestimmt zugesagt hatte, gelang es dank dem freundlichen Entgegenkommen der Gföhler Frauen, die ihren gesamten Blumenvorrat zur Verfügung stellten, und den beiden
Vereins-Teilnehmerinnen Fräulein Aigner und Fräulein Faber, die Einfriedungsmauer des Gedächtnishäuschens in eine blühende Blumenwand zu verwandeln. Der kleine, noch nicht vollendete Park vor
dem Häuschen war von den weißgekleideten, blumengeschmückten Kindern von Gföhl und Jaidhof umgeben. Als der Herr Erzherzog, vom Bezirksrichter Blumenthal geleitet, mit seinem großen Gefolge,
dem Pfarrer Ettenauer und dem Bürgermeister Haslinger erschien, blieb er, vom Anblick des Festplatzes und den Hochrufen der Kinderstimmen freudig überrascht stehen ... Der Herr Erzherzog sprach
sich sowohl über das Werk des Architekten Postelberg und des Bildhauers Canciani als auch über die Opferwilligkeit der Bevölkerung in Worten höchster Anerkennung aus. ...
Kremser Zeitung, 30.9.1905
Einweihung d. Kaiserin Elisabeth-Gedächtnishäuschens und 1. Waldviertler Kinderhilfstag.
Bei herrlichem Wetter fand am 24. d. die Einweihung des Kaiserin Elisabeth-Gedächtnis-Häuschens in Gföhl statt. Als Einleitung zelebrierte Pfarrer Ettenauer ein feierliches Hochamt. Statthalter
Graf Kielmannsegg wurde am Eingange des festlich geschmückten Ortes vom Bürgermeister und den Ho-norationen begrüßt und fuhr dann zum Gasthofe Prinz, wo das Festdiner stattfand. ... Der
Männergesangverein Gföhl trug einen Weihechor vor, worauf Pfarrer Ettenauer die Weiherede hielt. In ergreifender Weise pries er das zu weihende Werk als Werk der Liebe, der Liebe zur verewigten
Kaiserin, zum Kaiserhause und zu den Waisenkindern. Sodann nahm er unter Assistenz der Pfarrer von Idolsberg, Moritzreith und Loiwein die Weihe vor. Nach Absingung eines Chores trat die
Präsidentin Frau Baronin Ehrenfels vor und hielt die Festrede. ... Treffend bemerkte sie, daß der Volksmund schon früher die Weihe vorgenommen habe, indem er das Gedächtnishäuschen
„Elisabethkapelle“ nannte. Sodann ergriff der Herr Statthalter zu längerer Rede das Wort ... Hierauf erklärte er das Kaiserin Elisabeth-Gedächtnishäuschen für eröffnet.
Es trug nun Frl. Hager den vom Universitätsprofessor Dr. Christian Freiherr v. Ehrenfels verfaßten Prolog ergreifend vor. Kein Auge blieb trocken bei den Worten:
Dieses Bildnis seht ! – Ihr kennt das hohe Haupt,
In Schönheit einst bestrahlt vom Glanz des Glückes,
So jählings doch des höchsten Glücks beraubt, -
Des Mutterglücks – im Wechsel des Geschickes, -
Dahingerafft dann selber vom Geschicke,
Als schuldlos Opfer einer blinden Tücke.
Kreisgerichtspräsident Frimmel als Vertreter des Leiters des k.k. Justizministeriums dankte in herzlichen Worten ... Als Letzter sprach Bezirksrichter Blumenthal. In seiner Eigenschaft als
Pflegschaftsrichter dankte er allen, die sich zusammengefunden haben zu opferfreudigem Wirken, besonders dem Gföhler Ehrenbürger Karl Lechner, der einen neuen Beweis seiner kinderfreundlichen
Gesinnung gab, indem er für 2000 Kinder den Eintrittspreis zum Feste erlegte. Der Redner schloß mit den Worten: „Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser.“ Hierauf intonierte die Kapelle des
84. Infanterie-Regimentes die Volkshymne, die von 400 Kindern gesungen wurde. An diese Feier schloß sich der Waldviertler Kinderhilfstag ... Den riesigen Festplatz erfüllte eine nach Tausenden
zählende Menge. Zahlreiche Zelte mit Wachauerinnen, Oberösterreicherinnen, ein Champagnerpavillon des Generalsekretärs des Automobilklubs Faßbender, Volksbelustigungen aller Art sorgten für die
Unterhaltung des Publikums. Die animierte Stimmung dauerte bis in die Nacht fort.
Schreiben mit Geldspenden waren eingelangt: von Frau Erzherzogin Marie Valerie, vom Herrn Ministerpräsidenten, vom Herrn Leiter des Justizministeriums, vom Oberlandesgerichtspräsidenten, von
Bischof Dr. Rößler, Landmarschall Schmolk, Bürgermeister Dr. Lueger, Sektionschef R. v. Wolf, Probst Dr. Kerschbaumer, Abg. Kittinger, von zahlreichen Vereinen und Korporationen u.a.m.
Kremser Zeitung, 14. 10. 1905
Gföhl. (Erster Waldviertler Kinderhilfstag.) Die Verdienste aller, die zum Gelingen des Festes beigetragen haben, nach Gebühr zu würdigen, ist nicht möglich. ... Von auswärtigen Verkaufszelten
fielen auf: Der Champagnerpavillon der Frau und Frl. Faßbender aus Wien, das Obstzelt der Frau Verwalter Wanek (Idolsberg), das Weinzelt der Frau Dr. Klimitschek (Rastenfeld mit Frl. Schrimpf
als Zitherspielerin) die Langenloiser Zelte (Frau Dr. Faulhaber und Frau Dr. Beckmann) und das Wachauerzelt. Auch Frau Lehrer Christian aus Rastbach konnte als Ertrag ihres Zeltes eine
stattliche Summe abführen. ... Der Zweigverein des n.ö. Volksbildungsvereines hatte in selbstloser Weise die Aufführung der Bilder der Wiener Urania ermöglicht.
Der bekannte Wiener Kunstschriftsteller Dr. Stefan Zweig nennt in einer Berliner Wochenschrift das Kaiserin Elisabeth Denkmal von Alfonso Canciani, ein Werk von „erstaunlicher Kühnheit der Auffassung, in der sich Schlichtheit mit grandioser Wucht der Ausführung paart“ und fährt dann fort: „Es ist eine prächtige Schöpfung, die allem Prunk und architektonischer Symbolik zu Gunsten seiner rein seelischen und plastisch so wundervoll verwirklichten Idee entsagt. Statt Stufen, Geländer, Rondos und Galerien nur eine sanfte Hügelwelle, die die verklärte Gestalt der Kaiserin hoheitsvoll hinansteigt. Und vor ihr am Weg ein Landmann, der in freudigem Schreck den schaffenden Spaten sinken läßt und in tiefer Verehrung den Hut zieht. Nicht Krone noch Schmuck verraten die Kaiserin: nur die stumme Hoheit ihrer Gestalt. Als Volkskaiserin hat sie der Künstler gedacht, die nicht unter der Menge weilt, aber sie durch ihre Güte begnadet wie ein leuchtender Strahl. Und die Nackenbeugung dieses Mannes ist die reine begeisterte und doch von der unfaßbaren Seelengröße zum Schweigen verhaltene Verehrung der Tausende des ganzen Landes zu dieser Kaiserin, die aus den Niederungen des Alltags hinansteigt zu unsichtbaren Höhen ...“
Gföhl. (Pflegschaftsrat.) Endlich beginnt sich etwas zu regen; der Einsender des „Wozu“ in der österr. Landzeitung dürfte einen Stein zum Rollen gebracht haben. Das Vorgehen
des sogenannten Kinderschutz- und Waisenhaus-Vereines „Gföhler Pflegschaftsrat“ fordert auch zur schärfsten Kritik gerade zu heraus. Dieser „Verein“ besteht nur nominell, er ist noch nicht
konstituiert, kein Mensch kennt dessen Statuten, kein Mensch weiß, ob die vielen Gelder auch den Statuten entsprechend verwendet werden, es sind keine Funktionäre gewählt, es wird keine
Rechnung gelegt; zwei Herren sind die alleinigen Macher und schweigen sich über dies alles gründlich aus. Ein „Elisabethhäuschen“ wurde gebaut, mit welchen Mitteln? Waren die vielen Stifter,
Gründer und Mitglieder damit einverstanden? Suppen-Anstalten sollen errichtet werden, sind die Mitglieder damit einverstanden? Tausende von Kronen wurden gesammelt, selbst dem Aermsten wurde
wenigstens eine Krone abgeschwätzt, dafür wurde auch er Mitglied aber auch dieser will wissen, wie viel Geld da ist, was der Kinderhilfstag getragen etc. und hat das gute Recht, dies zu
verlangen. Statt im Hinblicke auf die großen Unterlassungssünden reuig an die Brust zu schlagen, um ehestens Versäumtes gut zu machen, erscheint unter dem Namen „Hofmann“ in der Kremser Zeitung
an einen ehrenwerten Gföhler ein aus schlechten Versen bestehendes Spottgedicht, weil er sich beim Kinderhilfstag aus begreiflichen Gründen nicht wurzen ließ. Das sind ja recht nette Zustände,
das verdient festgenagelt zu werden. Und nun heraus, ihr Herren vom Pflegschaftsrat, mit der Konstituierung des Vereines, heraus mit der Rechnung über die gesammelten, gespendeten und
verwendeten Gelder. Wir wollen wissen was los ist, wir wünschen offene Karten, des Versteckenspielens ist bereits genug.
Einige für Viele.
Franz Liebenberger, Leopold Ring, Otto Thum, Franz Prandstette
NÖN 33/1991
110.000 Schilling und viel freiwillige Arbeit
Elisabeth-Gedächtnishaus erstrahlt nun in neuem Glanz
GFÖHL. Mit einer Feierstunde, zu der der Verschönerungsverein am 6. 10. geladen hatte, wurde des Abschlusses der Renovierungsarbeiten am Kaiserin-Elisabeth-Gedächtnishäuschens an der Jaidhofer
Gasse gedacht.
VV-Obmannstellvertreter Walter Enzinger begrüßte zu dieser Feier, die von der Bläsergruppe der Trachtenkapelle musikalisch umrahmt wurde, zahlreiche Ehrengäste: Pfarrer Zainzinger, Bgm. Reiter
mit Stadt- und Gemeinderäten sowie die Vertreter der Geldinstitute. Enzinger berichtete, daß die Renovierung die kostenintensivste Initiative des Verschönerungsvereines der letzten Jahre sei,
was sich mit Kosten von 110.000 S und zahllosen Arbeitsstunden freiwilliger Helfer, die über ein Jahr dauerten, zu Buche schlägt. … Beim Dank an alle, die mitgeholfen haben, dieses Werk zu
vollenden, gedachte Walter Enzinger besonders Josef Weber [Vater des Gemeindebediensteten], der vor wenigen Tagen gestorben ist. …
Siehe auch:
Bezirkschronik Gföhl, Bände 1 und 4, Friedrich Weber, 2006 und 2009
Ansichtskarte:
Kaiserin-Elisabeth-Erinnerungs-Häuschen in Gföhl
Kinderschutz u. Waisenhaus-Verein „Gföhler Pflegschaftsrath“
Nr. 278, Verlag Anton Zifferer, Loiwein
Ansichtskarte:
Kaiserin-Elisabeth-Erinnerungs-Häuschen in Gföhl
Errichtet vom Kinderschutz- u. Waisenhaus-Verein „Gföhler Pflegschaftsrat“
Denkmal von Alfonso Canciani