Geschichte - 2. Weltkrieg - Kosatik
Verbrecherische NS-Euthanasie auch in Gföhl?
Aus den Erinnerungen von Aloisia Prinz
Apotheker Seppl
Gefallenenmeldungen versetzten den ganzen Ort in Trauer. Aber eines Tages passierte etwas, das das Blut in unseren Adern fast gefrieren ließ. Seppl [Josef Kosatik], der etwas einfältige Sohn
des Apothekers, wurde nach einem Familienstreit, der der Gendarmerie zu Ohren kam, „abgeholt“, wie man damals sagte. Man brachte ihn in die Nervenheilanstalt Mauer und sah nie mehr etwas von
ihm. Alle Bemühungen seiner Angehörigen waren vergebens. Man sprach von einer Überstellung nach Linz [Hartheim] und von einer ansteckenden Krankheit. Bald danach kam die Todesmeldung. Die Leute
wunderten sich, denn Seppl war ein kräftiger Mann. Kurze Zeit darauf kam er als Postpaket heim. Die Aufschrift „Urne“ erschreckte uns sehr und viele Tränen flossen. Die Kollegin, die an diesem
Tag am Telefon Nachtdienst hatte, wollte auf keinen Fall mit dem Seppl alleine am Postamt bleiben. Zugestellt wurde das Paket am nächsten Tag, denn die Post kam am Abend hier an. Wir anderen
sagten: „Brauchst di` net fiacht`n, wia wer`n des scho` mocha“. Wir nahmen das Urnenpaket und stellten es in eine Ecke. Alle anderen Pakete schlichteten wir darüber und sagten: „Do kaunn a net
dauna.“ Sie überlebte die Nacht ohne Zwischenfall. Heute ist dieses Tun für mich unvorstellbar, aber die Jugend hatte auch damals ihre eigenen Ansichten. Die Urne wurde im Familiengrab
beigesetzt, und alle Bewohner des Ortes fühlten zutiefst mit der Familie, dessen Sohn und Bruder brutal ermordet worden war.
In der Friedhofskartei Gföhl ist als Tag der Beisetzung der Urne der 7.9.1941 angeführt.
Laut Auskunft der Gendarmerie Gföhl liegen diesbezüglich keine Akten auf sowie ist in der Gendarmeriechronik keine Eintragung über diese Angelegenheit vorhanden.
Das Bundesarchiv Berlin teilt mit Schreiben vom 2.10.2003 mit: Das Bundesarchiv verwahrt im Bestand „Kanzlei des Führers, Hauptamt IIb (R179)“ 30.000 Patientenakten aus der ersten Phase der
„Euthanasie“-Aktion im Dritten Reich, die im August 1941 endete.
Zu Kosatik Josef (*21.11.1903) konnte unter der Signatur R 179/23963 eine Akte ermittelt werden. In der Patientenakte des Josef Kosatik wird als Geburtsort „Gmünd“ und als Wohnort „Gföhl“
angegeben. Er wurde am „25. Jänner 1938“ [?] in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling aufgenommen. Der letzte Eintrag in der Akte lautet: „Am 7. August 1941 in eine der Direktion
nicht genannte Anstalt übersetzt.“
Weitere Informationen konnten nicht erreicht werden, da hiezu entweder ein nahes Verwandschaftsverhältnis nachgewiesen werden muss, bzw. ein Einverständnis etwaiger Verwandter vorzulegen ist.
Im Jahr 2003 fand im Schloss Hartheim (Oberösterreich), jenem Schloss, in dem die „Euthanasie“-Opfer vergast wurden, eine Sonderausstellung zu diesem Thema statt. Auf Grund der dort geknüpften Kontakte teilte die Ausstellungsleiterin (Dokumentationsarchiv), Frau Mag. Magdalena Bogner, am 16. September 2003 mit: „Prim. Dr. B. Kepplinger, Ärztlicher Direktor der Landesnervenanstalt in Mauer Öhling, bestätigt, dass laut Stan-desprotokoll in der Personalakte „Kosatik“ der Stempel „in eine der Direktion nicht genannte Anstalt übersetzt“ aufscheint. Diese Personen kamen nach Hartheim um dann hier ermordet zu werden. So war es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch mit Herrn Kosatik Josef.“
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