Rastbach - Graphitwerk
Kremser Zeitung, 19. 1. 1907
Rastbach. (Adolf Genthe †) Am 7. Jänner starb 75jährig der hier seit vielen Jahren ansässig gewesene Herr Graphitwerkbesitzer Adolf Genthe. Mit ihm ist eine der markantesten
Waldviertler Persönlichkeiten aus diesem Leben geschieden. Nicht nur die eigene Familie trauert um ihr dahingeschiedenes Oberhaupt, um den geliebten Gatten und zärtlichen Vater, auch die
weiteren Kreise und insbesondere alle jene, die ihm näher getreten sind, beklagen den Verlust eines edlen, treuen und aufopferungsvollen Freundes, eines biederen Charakters, eines
ausgezeichneten allgemein beliebt gewesenen Gesellschafters. Schon als junger Mann aus seiner deutschen Heimat nach Österreich gekommen, ist der Verstorbene stets ein strammer Deutscher
gewesen. Sein hervorragendes bergmännisches Wissen und seine universelle Bildung verhalfen ihm bald zu einer einflußreichen Stellung unter den Gewerkschaften und ist er an der Erschließung des
Graphitreichtums des Waldviertels hervorragend beteiligt gewesen. Überdies hat er auch auf dem Gebiete des Bienenwesens und der Fischzucht sehr Ersprießliches geleistet, kurz er war ein ganzer
Mann und werden ihm alle, die ihm nahe gestanden sind, ein ehrenvolles Gedenken und wehmutsvolle Erinnerung weihen. Nun hat er seine letzte Fahrt ins Jenseits angetreten und wie er stets mit
dem bergmännischen Gruße „Glück auf“ in die Grube gefahren ist, so wollen wir ihm auch auf seiner letzten Fahrt zurufen: „Adolf Genthe, `Glück auf` “!
Dr. Karl Schwarz, 1998
Heimatbuch Rastbach
Graphitbergwerk Genthe
Im 19. Jahrhundert führte die Industrialisierung zu einer starken Nachfrage nach Graphit, der zur Erzeugung von Schmelztiegeln, feuerfesten Tonwaren, bzw. Schwarzgeschirr, Bleistiften,
Schmiermitteln und Farben diente. Schon in vorgeschichtlicher Zeit fand Graphit bei der Keramikherstellung Verwendung. Möglicherweise wurde Graphit auch bereits gemeinsam mit dem alten
Eisenvorkommen in unserer Gegend abgebaut und zur Verhüttung, bzw. zur Herstellung feuerfester Tonformen verwendet.
In der Bunten Serie westlich der Gföhler Granitgneise treten gelegentlich Graphitlager auf, die mit Marmor, Paragneis oder Quarzit vergesellschaftet sind. Neben dem Graphitvorkommen in Rastbach
waren in unserer Umgebung Lagerstätten in Krumau am Kamp, Brunn am Walde, Loiwein, Taubitz und Scheutz bekannt. Zeitweise trat auch Weichgraphit in guter Qualität zu Tage. Vermutlich stehen
auch die Gruben auf den Feldern der Flur Schaufelberg, südlich von Reisling ebenfalls mit dem früheren Graphitabbau in Zusammenhang.
Am Westhang des Rastbacher Schlossberges fand sich der Stolleneingang zum Bergwerk. Der gewonnene Graphit wurde zerkleinert, im sogenannten Ziegelgraben in Teichen geschlämmt und anschließend
verarbeitet. Wann das Graphitbergwerk am Reislingbach gegründet wurde, ist nicht mehr feststellbar. Betreiber war der aus Deutschland stammende Bergingenieur Adolf Genthe. Für die Region hatte
das Werk große wirtschaftliche Bedeutung. So waren in den Graphitgruben im Sommer und Winter 1884 durchschnittlich 10 bis 20 Arbeiter mit einem Schichtlohn von 65 bis 90 Kreuzer ohne
Unterschied der Saison beschäftigt. Die fünf Arbeiter beim Pochwerk und in der Aufbereitung erhielten 65 bis 75 Kreuzer, die fünf Arbeiter bei den Mühlen und Pressen wurden mit 75 Kreuzer bis 1
Gulden pro Tag in Akkordarbeit entlohnt.
14 Frauen und Mädchen waren zum Einpacken der Black-Lead (Graphitblöcke), teilweise im Sommer, vom Herbst bis Frühjahr ununterbrochen bei einem Verdienste von 80 Kreuzer bis 1 Gulden 10 Kreuzer
pro Tag in Akkordarbeit beschäftigt.
Daneben wurden für Grubenholz, Einpackpapier, Eisen und anderen diversen Bedarf bedeutende Beträge ausgegeben. Da die Graphitblöcke mit Pferdefuhrwerken nach Krems gebracht wurden, machten die
Fuhrlöhne durchschnittlich 360 Gulden pro Monat aus. Sonstige Unterlagen über den Betrieb sind leider nicht vorhanden.
Wegen des Reislingbaches gab es laufend Streit mit den Anrainern, bzw. den bachabwärts liegenden Mühlen, sowie mit den Gemeinden Rastbach und Moritzreith.
Im NÖ. Landesarchiv liegt ein umfangreicher Akt über die wasserrechtlichen Probleme rund um den Reislingbach auf. Da sie einen interessanten Einblick in die Zeit zwischen 1880 und 1897 geben,
werden sie nachstehend auszugsweise wiedergegeben.
Der erste aktenkundige Hinweis ist in einer Anzeige vom 28. April 1884 zu finden, in der Bürgermeister Josef Schwarz aus Moritzreith der Bezirkshauptmannschaft Krems anzeigt, dass in der
Rastbacher Freiheit bei dem 80 m breiten, 200 m langen und 6 m tiefen künstlich angelegten Teich der Bergwerksbesitzer Adolf und Maria Genthe, infolge des übergroßen Wasserdruckes der 8 m hohe,
auf Steinen fundierte Erddamm am 26. April 1884 gebrochen und die angrenzenden Wiesen überschwemmt wurden.
Da der Wasserzufluss sehr gering ist, bei normaler Witterung kaum 3,25 Liter pro Sekunde, hatte Adolf Genthe um die zwei Graphitmühlen und Graphitpressen des Graphitwerkes durch ein
oberschlächtiges Wasserrad von 3,79 m Durchmesser betreiben zu können, bereits im Jahre 1880 einen Sammelteich angelegt, der bei Regengüssen das überflüssige Wasser speichern soll.
Die Quelle des Reislingbaches liegt in der [damaligen] Gemeinde Reisling, dient dort als Gemeindebrunnen und ist 147 Klafter (ca. 2,787 m [1 Wiener Klafter = 1,8965 m]) vom Einfluss in den
Sammelteich entfernt. Die Quelle versiegt selten, im Hochsommer aber ist der Zufluss jedoch sehr gering, so beträgt er z.B. an warmen Tagen nur 0,6 Liter/Sek. Bei Regenwetter ist der Zufluss
zum Reislingbach sehr stark, lässt aber nach dem Aufhören des Regens oder der feuchten Witterung sofort nach. Das Bachbett war unterhalb des Werkes stark versandet und mit Gesträuch verwachsen,
bei starken Niederschlägen und bei der Schneeschmelze konnte das Wasser nicht ungehindert abfließen, sodass durch den starken Rückstau das Trockenhaus überflutet, die mit Graphit gefüllten
Schwemmkästen unter Wasser gesetzt und der Graphit weggeschwemmt wurde. Wohnung, Hof und Fabrik, Stallung und Keller waren oft bis zu 50 cm vom Wasser überflutet.
Ein Antrag von Adolf Genthe, die Gemeinden Rastbach und Moritzreith sollten das Bachbett reinigen lassen, wurde von diesen mit der Begründung abgelehnt, dass der Reislingbach seit
Menschengedenken von niemanden gereinigt worden sei und weil Herr Genthe sein Werk in der Nähe des Baches aufgebaut habe, habe er auch bei Hochwasser den Schaden selbst zu tragen.
Ohne die Gemeindevorstehung Rastbach zu verständigen oder bei der Gewerbebehörde die Genehmigung einzuholen, wurde in den Monaten April und Mai 1894 das mit Wasserkraft betriebene Stampfwerk
nicht nur vergrößert, sondern auf einem anderen Platz, ungefähr 15 m vom alten Stampfwerk entfernt, neu aufgebaut.
Sämtliche Arbeiten wurden von den im Stampfwerk beschäftigten Arbeitern und von Taglöhnern ausgeführt.
Von dem ca. 200 Schritte entfernten Teich wurde nach Auflassung der früher an einer anderen Stelle geführten Wasserleitung ein dreiviertel Meter hoher Damm neu errichtet, auf welchem auf
Pfeilern die aus Holzröhren hergestellte Wasserleitung lag, die nun das Wasser zum Antrieb des Wasserrades im Stampfwerk bringt. Weiters wurde das Mauergehäuse für das Wasserrad und das
Stampfwerk auf einen neuen Damm gestellt und mit der Wasserleitung verbunden. Über das ganze Werk wurde ein von einer Seite offen stehender hölzerner Schuppen neu errichtet. Schließlich baute
man einen 20 Meter langen gemauerten Kanal, welcher zur Ableitung des Wassers dient.
Der auf den Parzellen Nr. 1, 2/2 und 3/5 in der Gemeinde Reisling angelegte Sammelteich hat an der Nordseite eine Dammlänge von 76 Metern und an der Südseite eine Länge von 63 Metern, er
besteht aus einer Mischung von Lehm- und Tonerde, die Kronenbreite beträgt 1,6 Meter.
Damit die unterhalb des Teiches gelegenen Mühlen nicht in ihrem Betrieb gestört wurden, hatte Herr Genthe laut Wasserbenutzungsrecht die Auflage, täglich zu genau festgelegten Stunden Wasser
abzulassen. Da er dieser Verpflichtung aber nur teilweise nachkam , wandten sich Josef Lager, Förster in Brunn am Walde, Gutsherrschaft Brunn, Josef Wimmer, Müller in Rastbach, Anton Humel,
Sägemeister in Neubau, Franz Wandl, Müller in Eisengraberamt, Josef Schütz, Müller in Eisengraberamt und Anton Strasser, ebenfalls Müller in Eisengraberamt, mit der Bitte um Abhilfe an die
Behörde.
Adolf Genthe wies die Behauptung der Mühlenbesitzer entschieden zurück und behauptete, dass die unterhalb des Graphitwerkes liegenden Mühlen ihr Betriebswasser nicht nur aus dem Reislingbach,
sondern auch aus den in den Seitentälern aufsteigenden Quellen erhalten. Keiner der Mühlenbesitzer besitzt einen Sammelteich und so gingen dann alle die starken Wasserzuflüsse nutzlos verloren.
Man huldigt einfach dem Grundsatz „Läßt Gott regnen, so wird gemahlen.“ Genthe vertrat auch die Ansicht, dass er den ca. 3 Joch großen Sammelteich nicht im Interesse der unterhalb des Werkes
befindlichen Mühlen, sondern in erster Linie in seinem eigenen Interesse erbaut habe, damit bei starken Niederschlägen das überflüssige Wasser nicht in das Schwarze Meer abfließe, sondern dem
Werk dienstbar gemacht werden könne.
Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Werkes wurde um die nachträgliche Bewilligung der umgebauten Teichanlage und Stauung des Reislingbaches von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens
angesucht.
Herr Adolf Genthe brachte seinerseits den Mühlenbesitzer Josef Wimmer zur Anzeige, dass dieser ohne behördliche Kommission seinem Abzugsgräben und einen Sammelteich zur Bewässerung seiner
Wiesen angelegt habe.
Nicht nur mit den unteren, auch mit den oberen Anrainern gab es Schwierigkeiten. Ab dem Jahre 1884 hatten die Landwirte Franz Lemmerhofer (Nr. 1) und Josef Manhart (Nr. 8) aus Reisling den
Bachlauf durch Steine abgedämmt und Graben zur Ableitung des Wassers ausgehoben, das abgeleitete Wasser versickerte in den Wiesen.
Durch diese Wasserableitungen war in der Zeit anhaltender Dürre der Betrieb des Pochwerkes nur vom Wohlwollen der beiden Grundbesitzer abhängig.
Der Aufforderung von Bürgermeister Johann Pappenscheller, dem Wasserlauf durch Entfernen der Steine und der Ableitungsgräben wieder freien Lauf zu verschaffen, kamen die Landwirte aber nicht
nach.
Vom n.ö. Landesausschuss wurden die beiden Landwirte wegen eigenmächtiger Ableitung des Reislingbaches und unbefugter Wasserentziehung gemäß des Wasserrechtsgesetzes vom 28. August 1870 zu
einer Geldstrafe von je 5 Gulden verurteilt.
Der Kleinkrieg wegen der Wasserentnahme ging weiter und erreichte im Jahre 1897 einen neuen Höhepunkt.
Obwohl Tochter Clara, Eigentümerin des Werkes war, bat Bergingenieur Adolf Genthe als Bevollmächtigter seiner Tochter am 11. September 1897 um die Bewilligung zur Anlage eines weiteren
Sammelteiches zur Verstärkung der vorhandenen Wasserkraft.
Wie allen früheren Projekten hatte er auch diesmal wieder Schwierigkeiten mit den Reislingbachanrainern. Er war auch der Meinung, dass der Besitzer der Herrschaft Rastbach, Bernhard Freiherr
von Ehrenfels, ein großer Gegner des neuen Teiches sei, der, wenn der Teich später mit Fischen besetzt werde, eine starke Konkurrenz befürchtet. Herr Genthe beschwert sich auch seinerseits,
dass der am Fuße des Schlossberges gelegene, der Herrschaft gehörende Fischteich, bei starken Niederschlägen die vorbeiführende Straße unter Wasser setzen und das Werk von Rastbach völlig
abschneiden könnte. Beim Hochwasser im Jahre 1896, bei dem das Wohnhaus zur Hälfte einstürzte, konnten die Rastbacher nicht Hilfe leisten. Beim ersten Frost im Winter bildet sich auf der
Fahrbahn eine Eisdecke, auf der die Pferde stürzen.
Soweit die Auszüge aus den Akten.
Ing. Adolf Genthe und seine Frau Maria spielten im gesellschaftlichen Leben eine große Rolle. Im Jahre 1900 wurde Adolf Genthe Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Rastbach.
Am 7. Jänner 1907 starb Ing. Adolf Genthe im Alter von 75 Jahren an Arterienverkalkung und wurde am 9. Jänner 1907 in Krems bestattet.
In einem Nachruf würdigt die Kremser Zeitung die Persönlichkeit des Verstorbenen:
„Am 7. Jänner starb 75jährig der hier seit vielen Jahren ansässig gewesene Herr Graphitwerkbesitzer Adolf Genthe. Mit ihm ist eine der markantesten Waldviertler Persönlichkeiten aus diesem
Leben geschieden. Nicht nur seine eigene Familie trauert um ihr dahingeschiedenes Oberhaupt, um den geliebten Gatten und zärtlichen Vater, auch die weiteren Kreise und insbesondere alle jene,
die ihm näher getreten sind beklagen den Verlust eines edlen, treuen und aufopferungsvollen Freundes, eines biederen Charakters, eines ausgezeichneten allgemein beliebt gewesenen
Gesellschafters. Schon als junger Mann aus seiner deutschen Heimat nach Gföhl gekommen, ist der Verstorbene stets ein strammer Deutscher gewesen. Sein hervorragendes bergmännisches Wissen und
seine universelle Bildung verhalfen ihm bald zu einer einflussreichen Stellung unter den Gewerkschaften und ist er an der Erschließung des Graphitreichtumes des Waldviertels hervorragend
beteiligt gewesen. Überdies hat er auch auf dem Gebiet des Bienenwesens und der Fischzucht Ersprießliches geleistet, kurz er war ein ganzer Mann und es werden ihm alle, die ihm nahe gestanden
sind, ein ehrenvolles Gedenken und wehmutsvolle Erinnerung weihen. Nun hat er seine letzte Fahrt ins Jenseits angetreten und wie er stets mit dem bergmännischen Gruß „Glück auf“ in die Grube
gefahren ist, so wollen wir ihm auch auf seine letzte Fahrt zurufen „Adolf Genthe, Glück auf“.
Nach dem Ableben von Ing. Genthe wurde das Bergwerk bis zum Herbst 1908 weitergeführt. Nachdem aber kein geeigneter Betriebsleiter angestellt war, musste die Arbeit eingestellt werden und der
Betrieb wurde von der Tochter des einstigen Besitzers, Frau Klara von Tukery, an die Gebrüder Erber, offene Handelsfirma in Wien V., Kettenbrückengasse, verkauft.
Im Sommer 1924 wurde der Betrieb im Graphitwerk, welches in letzter Zeit nur mehr einige Arbeiter beschäftigt hatte, dann gänzlich eingestellt.
Heute erinnert nur mehr der „Gentheteich“ an das ehemalige Bergwerk. Im Jahre 1936 wurde vom Verschönerungsverein Rastbach ein Freibad eingerichtet. In den Nachkriegsjahren hatte Franz
Matschiner aus Gföhl auf dem Teich eine Fischzuchtanlage eingerichtet.