Felling 0042 - Kunstgewerbliche Artikel
Besitzer 2014
Gärdtner Gernot
Amtsblatt Nr 24, 18. 12. 1986
Gewerbliche Veränderung
Camillo Gärdtner, „Erzeugung von kunstgewerblichen Artikeln...“ im Standort Albrechtsberg, Els Nr. 18/19. Verlegung des Gewerbebetriebes nach Gföhl, Felling Nr. 42
Aus der Firmengeschichte und über den Hauptproduktionszweig – die „Baitz-Puppen“
Anfänge in Berlin
Roman und Lilli Baitz gründeten 1909 in Berlin das „Wiener Kunstgewerbe-Atelier Lilli“. Ihre Produktion von Puppen und Dekorationen verkauften sie als Werbematerialien erfolgreich an Kaufhäuser
und Produzenten in Europa und den USA. Die Kriegseinwirkungen des 1. Weltkrieges veranlassten eine Verlegung der Firma in das steirische Bad Aussee, nur kurze Zeit später nach Lustenau.
Paul Friedel übernahm 1923 die Geschäftsführung der Firma, die zu dieser Zeit auch eine Produktionsstätte in Salzburg-Parsch hatte. Nach dem Tod von Roman Baitz 1931 stand Lilli Baitz nur mehr
beratend zur Verfügung.
Ab 1938 scheint in den offiziellen Firmenunterlagen als alleiniger Geschäftsführer Reichsbahndirektor i. R. Franz Schenck auf.
Zu Ende des 2. Weltkrieges brannten die Räumlichkeiten fast zur Gänze aus.
1945 übernahm Paul Friedel erneut die Geschftsführung, Gesellschafterinnen waren Gudrun Schemell und Paula Schmidl.
Tragisches Schicksal von Lilli Baitz
Das dritte Kind wohlhabender Juden sollte 1942 deportiert werden. Sie nahm sich offensichtlich am Vorabend der Deportation, am 24. 8. 1942 mittels Schlaftabletten das Leben.
Lustenau und Bregenz
1947 mietete das Kunstgewerbe-Atelier Lilli L. u. R. Baitz Räumlichkeiten in der Lustenauer Rheinstraße 10 an.
Ab 1947 sind Paul Friedel, Kaufmann, Paula Schmidl und Gudrun Schemell, Kunstgewerblerin Geschäftsinhaber, Paul Friedel war schon seit den 1920er Jahren leitend tätig.
Die Firma Baitz belieferte nun wieder den europäischen und amerikanischen Markt, nahm an den großen Messen in Europa und auch in Tokio teil.
1954 übersiedelte die Firma Baitz Nfg. Friedel und Co. OHG nach Bregenz, ihre Betriebsräumlichkeiten befanden sich bis 1973 in der Arlbergstraße 116/117.
Große Bekanntheit erlangte Baitz durch seine rund 300 verschiedenen, seriell produzierten Trachtenpuppen, die als Reisesouvenir in den 1950er und 1960er Jahren regen Absatz fanden. Daneben
waren und sind Baitz-Puppen bei Sammlern gefragt.
Frauenarbeit im Textilbereich
In den besten Jahren wurden von den 20 Beschäftigten in der Firma und etwa ebenso vielen Heimarbeiterinnen jährlich bis zu 5.000 Puppen produziert. Die zuhause arbeitenden Frauen erledigten vor
allem Näh- und Anzieharbeiten.
Übernahme durch Camillo und Erika Gärdtner
1964 erfolgte die Betriebsübernahme durch Camillo Gärdtner. 1973 verlegte dieser den Betrieb aus Kostengründen nach Els 18, wo die Lohnkosten niedriger als in Vorarlberg waren.
Verlegung nach Felling
Nach dem Erwerb der ehemaligen Volksschule 1979 in Felling verlagerte das Ehepaar Gärdtner den Betrieb 1983 auf seine letzte Betriebsstätte nach Felling 42.
Neben der Puppenproduktion wurden kunstgewerbliche Geschenkartikel, Krippen, Weihnachtsschmuck und Dekorationsartikel im Betrieb und in Heimarbeit gefertigt.
Schließung
Mit der Zeit konnte dem wirtschaftlichen Druck aus China nicht mehr standgehalten werden, sodass mit der Pensionierung von Erika Gärdtner im Jahr 1999 der Betrieb geschlossen wurde.
Puppenmuseum Blons, Vorarlberg
1997 eröffnete das Puppenmuseum Blons. Die Initiatorin, Marlis Jenny, schreibt dazu unter anderem:
„Mit dem ersten Baitz-Trachtenpuppenpärchen in der Bregenzerwäldertracht, auf einem Flohmarkt erstanden, begann für mich eine neue Leidenschaft. Ihre ausdrucksstarken Gesichtchen faszinierten
mich. Auf meinen Beutezügen hatte ich fast nur noch Augen für Baitzpüppchen. ...Die Begeisterung, die sie bei den Museumsbesuchern auslösten, gefiel mir. So fand ich nach längerem Suchen die
bereits in Auflösung befindliche Firma „Baitz“, das Kunstatelier Camillo Gärdtner im Waldviertel. Während vieler gegenseitiger Besuche entstand eine herzliche Freundschaft zwischen Frau
Gärdtner und mir – allmählich übersiedelte der gesamte Firmennachlass nach einer langen Reise von Berlin-Salzburg-Bregenz-Waldviertel nun ins Große Walsertal. So schließt sich in Vorarlberg der
Kreis.“
Zum Thema „Baitz-Puppen“ gestaltete das Vorarlberger Landesmuseum 2005 eine Ausstellung mit dem Titel:
Baitz-Puppen
Zwischen Fantasie und Repräsentation
und legte hiezu auch ein Buch auf, welches als Grundlage zu den Angaben bis zur Übernahme durch das Ehepaar Gärdtner in den vorstehenden Ausführungen diente.