Felling 0037 - Bauernhof
Besitzer 2014
Hengstberger Jörg
Kremser Zeitung. 1. 4. 1974
Abschied vom „Latzenhof-Bauern“
GFÖHL. – In den Abendstunden des 21. März starb plötzlich und völlig unerwartet der bekannte Wirtschaftsbesitzer Franz Hengstberger aus Felling. Er stand im 67. Lebensjahr und erlag
einem Herzschlag. Unter überaus großer Beteiligung der Bevölkerung wurde er am 23. März im Gemeindefriedhof Obermeisling zur letzten Ruhe getragen. Seinem Sarge folgten die drei Söhne und die
Ziehtochter.
Der „Latzenhof-Bauer“, wie ihn alle nannten, war ein bekannter Landwirt. Seit 1972 verwitwet, lebte er mit seinen Söhnen auf dem Hof. Von 1938 bis 1944 bekleidete er den Posten eines
Gemeinderates, von 1944 bis Kriegsende war er Bürgermeister der Gemeinde Felling. Ab 1950 war er in ununterbrochener Folge Gemeinderat, um schließlich von 1964 bis 1970, bis zur Eingemeindung
nach Gföhl, Vizebürgermeister von Felling zu sein. 1967 wurde er zum Ehrenbürger von Felling ernannt. Er gehörte 20 Jahre dem Volksschulausschuß an und hätte heuer sein 50jähriges
Dienstjubiläum bei der freiwilligen Feuerwehr gefeiert. …
Land Zeitung, 13. 12. 1983
„Latzenhof-Bauer“ ist nicht mehr!
Felling. Der „Latzenhof-Bauer“ von Felling, Helmut Hengstberger, ist am 17. November, im 40. Lebensjahr einem längeren schweren Leiden erlegen... Am offenen Grab hielten Bgm.
Dipl.-Ing. Fassler für die ÖVP, FF-Kdt. Teuschl für die Feuerwehr und Hegeringleiter Fischer für die Jägerschaft Nachrufe...
Der Latzenhof – Die Geschichte eines Waldviertler Bauernhofes
Von Heinrich Hengstberger, Hohenstein im Kremstal
Das Waldviertel, 1952, Jahrgang 1, Heft 1
Unweit der verfallenen Rittersburg Hartenstein liegt in nordöstlicher Richtung hinter dem Wodanfelsen auf der Hochfläche der linken Talseite der Krems inmitten eines malerischen Wiesengrundes,
umgeben von fruchtbarem Ackerland und von dunklen Wäldern umrahmt, ein aus drei Häusern bestehender Weiler, der einst als herrschaftlicher Meierhof und später als Ganzlehen ein einheitliches
Bauerngut darstellte, in das sich aber seit mehr als einem Jahrhundert zwei Besitzer teilen. Dieser Besitz wird seit altersher, solange es noch keine Hausnummern gab (bis 1770), in den
öffentlichen Urkunden (Grundbüchern, Herrschaftsakten, Kirchenmatriken usw.) stets als „Latzenhof“ bezeichnet und führt im freien Sprachgebrauch auch heute noch diesen Hofnamen.
Von wo sich der Name herleitet, steht nicht eindeutig fest. Zur Zeit der Rodung und Urbarmachung unseres Waldgebietes wurden die neuangelegten Siedlungen häufig nach dem Gründer benannt. Dies
kann auch beim Latzenhof der Fall gewesen sein. Da am Ausgang des Mittelalters die niederösterreichischen Adelsfamilien mit Vorliebe die Kurzformen „Lazlo“ und „Latz“ für den Vornamen Ladislaus
gebrauchen, spricht die Wahrscheinlichkeit sehr dafür, daß dieser Wirtschaftshof seinen Namen einem Ladislaus verdankt.
Die erste bisher bekannt gewordene Erwähnung des Hofes fällt in das Jahr 1423, als Herzog Albrecht V. den Jörg von Rappach mit dem Gute Hartenstein belehnte. Hiebei werden im Lehensbuche die
dazu gehörigen Höfe, Mühlen, Lehenshäuser und Hofstätten aufgezählt, darunter auch der Layezenhof“. Dieser Hof wird unter dem nächsten Herrschaftsinhaber „Wolfgang dem Neydekger“ im Jahre 1430
ebenfalls als Lehensgut erwähnt. In den Pfarrmatriken von meisling lesen wir noch bis zum Jahre 1688 die alte Schreibweise „Laizenhoff“, während daneben (schon 1649) die Form „Lätzenhoff“
gebräuchlich ist; auch die jetzige Bezeichnung „Latzenhof“ findet sich bereits in jener Zeit (erstmalig 1650).
Der Latzenhof gehörte seit eh und je zum Herrschaftsdominium Hartenstein, mit dem der Kaiser oder der Landesfürst jeweils Adelsgeschlechter zu belehnen pflegte. In dem Jahrhunderte von ungefähr
1150 bis 1260 waren dies die Ministerialen von Hartenstein, die, wahrscheinlich aus dem Geschlechte der Kuenringer stammend, von ihrem Besitz Purkersdorf aus die Burg „Hertenstain“ erbaut haben
dürften. In den folgenden sechs Jahrhunderten hatten noch 14 verschiedene Adelsfamilien das Rittergut Hartenstein als Lehen inne. Im Jahre 1726 kaufte es mit dem Latzenhof Philipp Ferdinand von
Gudenus, dessen Vater Johann Christoph von Gudenus, Kurfürstlich-Mainzischer Gesandter und bevollmächtigter Minister am kaiserlichen Hofe zu Wien, schon 1699 das Gut Felling-Hohenstein erworben
hatte.
Bis in die Regierungszeit der Kaiserin Maria Theresia hinein wurde der Gutshof von herrschaftlichen Meiern bewirtschaftet. In den Meislinger Kirchenmatriken, die mit dem Jahre 1628 beginnen,
wird bereits im folgenden Jahre des Latzenhofes Erwähnung getan, indem das Totenbuch berichtet, daß am 21. März 1629 ein „betl Bueb von Laizenhoff“ begraben worden ist. Kurz anch dem Ende des
Dreißigjährigen Krieges werden Philipp und Lucia Khrön von „Lätzenhof“ genannt, die offenbar nur Inleute am Meierhofe waren, da zur selben Zeit (1650) als „Mayr an dem Latzenhoff“ Matthias
Haitzl aufscheint, für dessen Töchter die Khrön bei der Taufe die Patenschaft übernommen hatten. Als nächster Meier wird 1658 Georg Feyrtag erwähnt. Sein Töchterchen Gertraut hatte an Fräulein
„Johanna Justina von Neuhauß am Laizenhoff“ eine vornehme Taufpatin, deren Vater Georg Ehrenreich Freiherr von Neuhaus zu jener Zeit Lehensherr des Gutes Hartenstein war; er besaß übrigens auch
Senftenberg und Hohenegg (bei St. Pölten) sowie Güter in Eppenberg. Der Meier Feyrtag war in seinen alten Tagen „Halter“ im Latzenhof und wurde, als er im Jänner 1678 mit 70 Jahren starb,
(vermutlich wegen Schneeverwehung) nicht im pfarrzuständigen Kirchhofe zu Meisling, sondern im leichter erreichbaren Lichtenau begraben. Nach Feyrtag bewirtschafteten den Latzenhof die Meier
Matthias Mang (1661) und Georg Grueber (1663).
Als im Jahr 1666 Graf Georg Ludwig von Sinzendorf den Herrschaftsbesitz Hartenstein übernahm, ließ er ein Urbar (Verzeichnis der Grunddienstpflichtigen und der Grunddienste) aufstellen, in dem
unter anderem aufgezählt ist, was die Untertanen der fünf Häuser des Amtes Ostra mit dem Latzenhof an „Ergiebigkeiten zu reichen“ hatten: 32 Gulden in barem, 6 zweiviertel Metzen Getreide, 1
Kalb, 1 Achtel Schmalz, 2 Kapauner (Masthähne), 5 Hennen und 90 Stück Eier. - Der neue Herrschaftsinhaber dürfte am Latzenhof gleich einen Verwalter in der Person des Raphael Rigler eingesetzt
haben, denn als sich dessen Tochter Felicita Polyxena im Jahre 1668 zu Meisling mit dem „ehrsamen Thomas Kortersriegel von Eckartsau“ vermählte, wird Riegler als „edelgestrenger gewester Herr
zu Laitzenhoff“ genannt. 1666 wurde dem Jörg Innersperger, „rusticus“ (Bauer) am Latzenhof, ein Töchterchen getauft. 1682 wird im Taufbuche Simon Hoffbauer als „Mayr im Laitzenhoff“
bezeichnet.
Nach dem Tode des Herrschaftsinhabers Georg Ludwig Graf von Sinzendorf (1681), der sich als Hofkammerpräsident an Steuergeldern vergriffen hatte und deswegen zu „ewigem Gefängnis“ verurteilt
worden war, wurde das Gut Hartenstein (mit dem Latzenhof) zunächst von einem Exekutionspfleger verwaltet, bis der Kaiser im Jahre 1682 damit die zwei minderjährigen Söhne des verstorbenen
Grafen, Christian Ludwig Ignaz und Philipp Ludwig Wenzel, belehnte.
Um 1689 hatte ein Angehöriger des niederen Adels im Latzenhof seinen Wohnsitz, denn unterm 9. März des genannten Jahres wurde, wie das Kirchenbuch berichtet, dem „wohledelgeborenen Herrn Johann
Franz von Wiltheim am Lazenhof“ eine Franziska Dorothea getauft, die Frau Dorothea von Weixelburg, geborene Gräfin von Trautmannsdorf, die zweite Gattin des Johann Andreas von Weixelburg zu
Felling, zur Patin hatte. Dem Herrn von Wiltheim dürfte der Latzenhof, wie den Weixelburgern das Schloß Felling lediglich als Edelmannsitz überlassen gewesen sein, da er in der Landtafel nicht
als Besitzer eingetragen ist.
In den folgenden Jahren sind aus den Kirchenmatriken noch folgende Meier des Latzenhofes feststellbar: Georg Zorn (1692), Andreas Wöber (1693 – 1705), Johann Lambrecht (1721), Michael Weyringer
(1737), Simon Pindersperger (1740) und Simon Oswaldt. Nachdem Oswaldt im Jahre 1741 gestorben war, heiratete die Witwe Eva noch im gleichen Jahre Johann Adam Nagl aus Gföhl.
Als sich um jene Zeit Kaiserin Maria Theresia anschickte, eine allgemeine Grundaufnahme durchführen zu lassen, versuchten die Grundherren die Rustikalgründe (bauernland) zum Dominikalland
(Herrenland) dazuzuschlagen, wogegen aber das kaiserliche Patent vom Jahre 1747 auftrat. So verpachteten oder verkauften nun die Herrschaften, um der ziemlich hohen Besteuerung des Bauernlandes
zu entgehen, vielfach die Rustikalgründe. Während, wie wir gesehen haben, die Meier auf dem Latzenhof sehr häufig gewechselt wurden, ist der zuletzt genannte Adam Nagl über 40 Jahre auf dem
Hofe gewesen. Er kann daher als der erste Pachtbauer oder bäuerliche Besitzer des Latzenhofes angesehen werden. Die Grundherrschaft hatte natürlich noch weiterhin bis zum Revolutionsjahre 1848
das Obereigentum über den Hof inne; es war dies seit 1726 die freiherrliche Familie Gudenus. Erst von diesem Zeitpunkte an kann der Latzenhof als zu dem eine halbe Wegstunde entfernt liegendem
Dorfe Felling gehörig betrachtet werden, früher hatten ja Dorf und Hof verschiedene Grundherren. - Als sich Adam Nagl nach dem Tode seiner Gattin Eva im Jahre 1773 abermals verheiratet, ging
sein Sohn Jakob vom Hause fort und blieb für immer verschollen. Im Jahre 1806 wurde daher sein zurückgelassenes Vermögen gerichtsordnungsmäßig unter seine zwei jüngeren Geschwister aufgeteilt.
Nach Adam Nagls Tode (1782) vermählte sich seine zweite Gattin Theresia mit Johann Pulker aus dem Gföhleramte. Dieser ist im Josefinischen Grundkataster von 1787 als „Ganzlehner“ bezeichnet,
also bereits Besitzer. Johann Pulker hatte im Jahre 1814 (ein Jahr vor seinem Tode) seinen ganzen Besitz öffentlich versteigern lassen. Hiebei kamen Haus und Wirtschaft an Georg Koppensteiner
aus Felling Nr. 6, der das Höchstangebot von 9100 Gulden gemacht hatte. Koppensteiner war 1801 aus Seeb (bei Gföhl) nach Felling zugewandert, sein Ahne Wolfgang Koppensteiner scheint bereits im
Jahre 1548 als Bauer vom Landrichterhof bei Schweiggers – Zwettl auf. - Als im Jahre 1770 von der Kaiserin Maria Theresia für militärische Zwecke (Rekrutenaushebung) die Nummerierung aller
Häuser in ganz Österreich angeordnet wurde, erhielt der Latzenhof (unter Adam Nagl) die letzte Hausnummer von Felling, Nr. 33.
Georg Koppensteiner teilte im Jahre 1831 seinen über 100 Joch umfassenden Grundbesitz unter seinen beiden Töchtern Magdalena und Anna auf, die sich mit den Brüdern Leopold und Anton Wenzl aus
Scheutz ehelich verbanden, während sich sein Sohn Jakob gleichzeitig mit einer Schwester der beiden Brüder in Scheutz verheiratete. Besitzer des alten Hofes (Nr. 33) wurden Leopold und
Magdalena Wenzl. Ihre Ehe war kinderlos geblieben. Sechs Jahre vor seinem Tode (1858) hatte Wenzl Haus und Wirtschaft seiner Ziehtochter Theresia Maurer übergeben, die sich mit Leopold
Hengstberger aus Felling Nr. 3 vermählte. Nach dem am Neujahrstage 1885 erfolgten Tode ihres Gatten führte sie durch 13 Jahre mit ihren beiden Söhnen die Wirtschaft allein weiter. 1903 fand sie
mit 70 Jahren ein tragisches Ende, indem sie auf dem Heimwege von der Auferstehungsfeier im Walde zwischen Hohenstein und Felling erfror. Besitznachfolger war schon im Jahre 1898 ihr jüngster
Sohn Leopold geworden. Von dessen beiden Söhnen hatte wieder der jüngere, Franz Hengstberger, im Jahre 1939 das väterliche Erbe übernommen.
Bei der Wirtschaftsteilung im Jahre 1831 hatte Georg Koppensteiner neben dem alten Meierhofgebäude ein einstöckiges Wohnhaus (Nr. 37) erbaut; das seine Tochter anläßlich ihrer Eheschließung mit
Anton Wenzl erhielt. Dieser starb schon nach zweijähriger Ehe, kinderlos wie sein Bruder auf dem Nachbarhause. Nach kurzer Witwenschaft nahm Anna Wenzl als zweiten Gatten Johann Knödlstorfer
aus dem Gföhleramte. Durch drei Geschlechter waren nun die Knödlstorfer auf dem Hause, bis 1905 der Letzte dieses Familienzweiges nach fünfjähriger Ehe ohne Nachkommen in noch jungen Jahren
einer Lungenentzündung erlag. Vier Monate nachher ehelichte die Witwe Anna, eine geborene Gleißner aus Felling, Johann Hengstberger vom Fellinger Stammhause Nr. 3. der neue Besitzer konnte mit
dem erworbenen schuldenfreie Hause und dem mitgebrachten Barvermögen als der wohlhabendste Bauer in der Gemeinde gelten. In den Dreißigerjahren erbaute er in seinem Obstgarten ein nettes
Ausnahmehaus mit der Ortsnummer 41. Nach 33jähriger erfolgreicher Wirtschaftsführung übergab er im Jahre 1938 den Hof seinem zweitgeborenen Sohne Franz Hengstberger, während sich gleichzeitig
sein älterer Sohn Johann nach Nöhagen verheiratete.
So entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte der Latzenhof aus dem alten Herrschaftsgute unter wechselvollem Schicksale seiner Besitzer und Betreuer zur heutigen Siedlung, auf der nunmehr seit
hundert Jahren der neue Adel des freien Bauerntumes durch eigener Hände Arbeit und Fleiß dem historischen Grund und Boden den Ertrag abringt.