POLLHAMMER Josef, Dr. (1873)

Die Anregung zu poetischem Schaffen erhielt Dr. Pollhammer von Freunden in Graz und Wien, wo er auch Franz Grillparzer kennenlernte. Dieser ermunterte ihn zu neuem Schaffen, als er die Werke des jungen Dichters gesehen hatte. Den Briefkontakt mit Franz Grillparzer hielt Pollhammer auch während seiner Tätigkeit in Gföhl aufrecht. Einmal meinte dieser, der Ort Gföhl würde außer dem Notar und seiner Frau wohl nicht viel Rares zu bieten haben. Pollhammer verkehrte schon in jungen Jahren in literarischen Kreisen, gewann unter anderem die Freundschaft Grillparzers und Bauernfelds und machte durch Lyrikveröffentlichungen auf sich aufmerksam. Er bevorzugte zunächst fremde Stoffe und neigte dazu, sich im kulturhistorischen Beiwerk zu verlieren. Erfolgreich war er vor allem mit einfachen Weisen, welche die Donaulandschaft rühmen. Pollhammer arbeitete ab 1886 im Allgemeinen niederösterreichischen Volksbildungsverein mit und war ab 1892 dessen Obmann. Unter ihm und seinen Mitarbeitern Wichner und Noggler nahm der Verein – trotz der Verselbständigung des Zweigvereins Wien – einen großen Aufschwung.
Das erste Gedicht das Pollhammer veröffentlichte war „St. Salvador“ aus seinem größeren epischen Gedicht „Columbus“, 1863. 1873 wurde Dr. Josef Pollhammer zum Ehrenbürger von Gföhl ernannt.

Karl Bosek-Kienast schreibt in „Das Waldviertel“ von Dr. Stepan, Band VI, 1931, über Josef Pollhammer:
„Das prächtige Stück Waldlandschaft zwischen der Königsalm und Gföhl im südlichen Waldviertel lässt den Wanderer die fortgesetzte Steigung und die langen Schleifen fast vergessen. Dennoch atmet der naturfrohe Waller befreit auf, wenn er nach dem einsam liegenden Gehöft des Wasenmeisters die Höhe des „hängenden Stoans“ erreicht. Der hochragende alte Gföhler Kirchturm inmitten der ansehnlichen Siedlung grüßt still lächelnd von der Hochfläche herab. Ganz von selbst lüftet der Wandersmann sein verwittertes Hütel und bleibt einige Augenblicke sinnend stehen. Das bergende Ziel liegt zum Greifen nahe.
Friedlich breitet sich das Örtlein im glitzernden Sonnengolde. Kein Mensch würde dem munteren, trauten Marktflecken ankennen, dass er schon den Sechshunderter auf dem Buckel hat. [600 Jahre Gföhl] Wohl verleitet das anmutige Bild, das Gföhl zum erstenmal den Blicken vorführt, zu längerem Verweilen. Unsere Absicht ist aber heute eine andere. Darum frisch weiter gestapft, am Aschauer und Lechner-Lederer vorbei bis dorthin, wo der alte Kienastsche Hausgarten in behäbiger Rundung dicht an die Straße drängt. Bei dieser Kreuzung endet das Emporklimmen. Die Kremser Straße, im Volksmund gemeiniglich „neue Straßen“ geheißen, verläuft jetzt eben in die Schlagader der Marktgemeinde und trägt bis zur „untern Bassena“ den Namen des verdienten Erbpostmeisters Ernest Thum. Von hier bis zum kunstvollen gotischen Brunnen führt sie die klingende Bezeichnung Pollhammerstraße und verlässt schließlich als Zwettlerstraße das Nordende Gföhls, um der Kuenringerstadt zuzueilen.
Pollhammer!... Wem sagt der Name heutzutage noch mehr als ein bloßes Zusammenklingen von zehn Lauten? Gewiss wird man sich bald darüber einig sein, daß die Gemeindeväter von einst das schönste, von altehrwürdigen Bürgerhäusern umsäumte Straßenstück ihres Pfarrortes mit einem Namen verknüpfen, den sie in Liebe und Dankbarkeit, allem Zeitensturm zum Trotz, erhalten wollten. Dem war auch so. Die Wahl der Alten fiel auf einen Würdigen.
Notar Dr. Josef Pollhammer vereinigte in seinem Wesen den Menschenfreund und den Dichter. Wirkliche Edelmenschen besitzen aber einen großen Fehler: sie sind zu bescheiden! Ein Merkmal übrigens, das in süddeutschen Gebieten vorwaltet und hier wieder uns Ostmärker am meisten kennzeichnet. Unverständnis, Gleichgültigkeit oder ausgesprochene Ungunst begleiten meist den Künstler auf dem Dornenpfad seines Lebens und nimmt ihn dann einmal das stumme Reich des Schatten auf, dann verschlingt Vergessenheit das Werk seines Geistes. Erging es vielen Großen unseres Volkes so, warum sollte denn der Gföhler Dichter eine Ausnahme machen?
Vom Leben und Wirken des Dichters Pollhammer wissen die engeren Landsleute und auch die zünftigen Fachmänner so viel wie nichts. Die folgenden Zeilen können selbstverständlich nur als spärliche Umrisse gelten und wollen nur als bescheidene Ergänzung des wertvollen Gföhler Heimatbuches von Stephan Biedermann angesprochen werden. Ohne Zweifel gelänge es einer umfangreicheren Forschung, den Stoff zu weiten und zu klären. Die erste Anregung, die mir, dem „halben“ Gföhler, mein verehrter Lehrer Hofrat Dr. Heinrich Güttenberger gab, griff ich freudig auf und hoffe, in künftigen Tagen bessere Zusammenhänge bieten zu können.
Josef Pollhammer verbrachte den wertvollsten Teil seines Lebens in Gföhl. Seine Wiege stand jedoch in den Alpen.

Du meine Heimat, Tal von Aussee,
Wie ruhst du so schön, von Bergen umschlossen!
Wie herrlich ist dein Lenz zu schauen!....

Stille Sehnsucht nach diesem herrlichen Erdenstück, das auch sein Muttergrab umschließt, zittert in den Zeilen des Gedichtes „Zurück“.
Das Schicksal verschlug den jungen Stürmer und Dränger in den verträumten, sagenumrankten Nibelungengau. An den Ufern der Donau leuchtete ihm ein neuer Glücksstern. Sein Herz, sein Ich fand beseeligende Ergänzung. Eine besondere Liederreihe weihte er seiner geliebten Gattin Marie:

Im Dome meiner Seele
Da steht dein heiliges Bild,
Vom Weihrauch meiner Liebe
Umduftet und umspielt.
Und alle Gedanken erklingen
Und heben und einen sich
Zum ewigen Chorale:
Maria, ich liebe dich!

In Gföhl ward Pollhammers Heim fest und sicher gegründet.

Mein Wissen will ich nun verwerten
Für Menschenrecht und Menschenglück,
Was Leben mich und Bücher lehrten,
Ich geb` es meinem Volk zurück.

Seine berufliche Stellung brachte ihm bald hohes Ansehen ein. In der Gföhler Festschrift des Heimatforschers Biedermann lesen wir über unseren Dichter kurz folgendes: „Herr Notar Dr. Josef Pollhammer war wie bei der Sparkasse auch bei der Feuerwehr Anreger und Berater.“ Durch diese Wohlfahrtseinrichtungen vom Jahre 1867 förderte Pollhammer die Marktgemeinde Gföhl ganz bedeutend. Reines Familienglück erwuchs bald im Hause des tüchtigen Notars. Büblein auf Büblein erscheint. (Dr. Güttenberger: Literarische Gänge durchs Waldviertel.) Da gebietet der Dichter – Franz Grillparzer – in seinem Schreiben vom 14. November 1868 halt! „So viel Juristen, künftige Notare und Advokaten müssen endlich das ganze Viertel Obermannhartsberg überschwemmen und zugrunde richten...“ – Dieser scherzhaften Übertreibung Grillparzers kam ein erschütterndes Ereignis zuvor. Noch der alte Pollhammer konnte den herben Schmerz nicht verwinden:

... Links an der Mauer steht ein Stein
Beglänzt vom Abendsonnenschein,
Darunter ruhen meine Knaben,
Sie wurden in blühender Jugend begraben.
Wie träumten sie froh den Weihnachtstraum,
Wie freuten sich die herrlichen Jungen,
Wie waren sie jubelnd um den Baum
Nach ihren Geschenken haschend, gesprungen.

-Da kam ein würgender Engel gerannt,
Ein böser Dämon, Scharlach genannt, -
Ein Dämon, das Auge zerstörend trifft,
Sein Name schon ist tötendes Gift.
O, wär` er aus irdischem Stoffe gemacht,
Ich hätte mit ihm den Streit vollbracht,
Bis einer von uns hinab, hinab
Statt meiner Kinder gesunken ins Grab...

Einer allzu gründlichen Erneuerungssucht fiel der im Gedicht erwähnte Grabstein im Gföhler Friedhof zum Opfer. Die letzte Erinnerung an das grause Geschehnis flüchtete sich in Form einer knappen Eintragung ins Sterbebuch der Pfarre Gföhl: Am 22. Jänner 1873 starb im Hause Nr. 15 um 2½  Uhr früh Hermann – ehelicher Sohn des Josef Pollhammer, k.k. Notar, und Gattin Marie, einer ehelichen Tochter des Herrn Karl Weiß, Kaufmann in Wien, und dessen Gattin Rosalia – im Alter von 5 Jahren 2 Monaten und 5 Tagen an Scharlach, und wurde noch am selben Tage (4 Uhr nachmittags) vom Pfarrer J. Mühler eingesegnet und beerdigt. Knapp darunter ist Ernst Pollhammer verzeichnet. Gestorben und zu Grabe getragen am 25. Jänner 1873, 4 Jahre, 2 Monate und 14 Tage alt. Erst die nächste Seite des Sterbebuches erzählt am 4. Februar unter den gleichen Tatsachen vom Tode des ältesten Sohnes Karl, der 7 Jahre, 3 Monate und 4 Tage alt, am 5. Februar 1873 begraben wurde.
Dieser furchtbare Schicksalsschlag, der die prangenden Blüten seines Familienlebens zerschmetterte, vertrieb den Dichter von der Stätte einstigen Glückes. Am endlos dahinmurmelnden Donaustrome fand das zerrissene Vaterherz Heilung und allmählich hielt sogar in faustischer Art ein „Neuer Frühling“ beim Dichter Einkehr:

Über der Quellen tanzenden Wellen
Spielet der Winde leichtes Gesinde.
Blühende Flieder senken sich nieder,
Flattern im Fluge, baden im Zuge.
Und aus den Zweigen tönt es so eigen,
Milde Gesänge, schrillende Klänge. –
Frühling, dein Walten, Blütenentfalten
Hat mich dem Leben wiedergegeben!

Der Segen der Arbeit vernarbte die Herzenswunde und straffte den geknickten Lebensmut.
Die Kunst Pollhammers entspross der begeisterten Liebe zum deutschen Volk und zur wundervollen Heimatnatur. Vorwaltend ist der Gföhler Meister ein Vertreter der liedhaften Dichtung. Treffend weiß er der Versekunst Wesen zu deuten:

Empfinden, Schau`n, das kann ein jeder,
Doch das Empfundene, das Geschaute
So hinzuschreiben mit der Feder,
Dass es durch anmutvolle Laute
Erringt des Herzens vollste Gunst,
Das ist allein des Dichters Kunst.

In einer Unterredung mit Adolf Foglar (12. August 1863) sagt Franz Grillparzer: „Pollhammer ist mir ein Vermächtnis Zedlitz`. Ein talentvoller junger Mann, nur mehr Schwung sollte er haben. Man wollte, ich sollte ihn beim Publikum einführen, wie Geibel – ich weiß nicht mit wem – es getan. Aber ich halte das für eine Anmaßung.“ Diese steife Art hat Grillparzer allerdings später in ein innigeres Verhältnis gewandelt, wie schon der vorhin angeführte Brief beweist. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, so hielt sogar einst die Postkutsche mit Österreichs größtem Bühnendichter vor dem Hause Pollhammers. Die Schwestern Fröhlich hatten ein Lichtbild Grillparzers „höchst schmeichelhafter Weise, an einen in Gföhl wohnenden Dichter Pollhammer verschenkt“, besagt Grillparzers Brief vom 2. März 1867 an Auguste von Littrow-Bischoff.
Die „Neuen Gedichte“ enthalten zwei herzliche Widmungen an Grillparzer. Die letztere, zum 80. Geburtstag unseres ostmärkischen Dichterfürsten geschrieben, klingt in den Worten aus:

Hat auch die Welt manch Neues uns errungen,
Dein Wirken bleibt von jener hohen Art;
Es bleibt, was Du empfunden und gesungen,
Im Herzen Deines Volkes aufbewahrt.

Dankbares Gedenken durchweht das Gedicht: „An Anastasius Grün“, dem Freiheitssänger zum 70. Geburtstage zugeeignet. Pollhammers „Neue Gedichte“ aber sind „dem Dichter Eduard Bauernfeld in alter Verehrung und Freundschaft gewidmet“. Dieser Kreis bedeutender Künstler hat gewiss den Gföhler Dichter ermutigt und befruchtet.

Von Pollhammer erschienen 1881 die „Neuen Gedichte“, 1898 „Gedichte, neue Folge“ und 1902 die dritte Auflage der „Donaulieder“, deren erste und zweite Auflage in den „Neuen Gedichten“ enthalten waren. 1890 kam „Eine Erzählung aus der Zeit des `Salzbundes` 1730/31. Die Protestanten von Salzburg“ in den Buchhandel. Die Verserzählung „Columbus“ erreichte 1892 die dritte Auflage. Alle angeführten Bücher verlegte Karl Gerolds Sohn. In den Lagerräumen dieses gediegenen Wiener Verlagshauses harren davon noch etliche Stücke der Befreiung aus Staub und Dunkel.
Pollhammer verließ 1878 Gföhl und zog ins sturmerprobte, schmucke Kremser Städtlein. Bei Karl Glossy finden wir 1892 die Bemerkung: Josef Pollhammer, derzeit in Krems. Dieser Stadt, der er in Lieb und Treu ergeben war, schenkte er „Zum 900jährigen Jubelfeste (16. August 1895)“ ein flammendes Gedicht. Im Übrigen gehören viele seiner Lieder, die die Märchenbilder der goldenen Wachau wiederspiegeln, zu den schönsten. Ehrlichen deutsch-christlichen Geist atmet das Preisgedicht auf das uralte Melker Marienlied:

In dieses Klosters Hallen
Könnt einen Schatz ihr schau`n,
Zu dem die Pilger wallen
Aus fernen deutschen Gau`n.
Es liegt darin verschlossen
Vor Raub und scharfem Licht
Für unsre Stammesgenossen
Ein ältestes Gedicht.
Als fast von Rom vernichtet
Die deutsche Sprache lag,
Hat dieses Lied gedichtet
Ein Mönch von deutschem Schlag.
Marienlied! Dich hüten
Die Mauern nun von Melk;
Und deutschen Sinnes Blüten
Sie werden nie hier welk.
(Kloster Melk)

Von Krems ging Pollhammers Schaffenskraft aus, hier wurde er auch nach wechselvollem Glück zum ewigen Schlaf gebettet.

Von Josef Pollhammer meldet keine Geschichte deutschen Schrifttums. Nicht einmal in dem dreibändigen Werk der liebevoll schürfenden Gelehrten Nagl, Zeidler und Castle, das zahllose vergessene Österreicher ins Licht gerechter Würdigung setzte, fand Pollhammer seine verdiente Auferstehung. Nur die Pollhammerstraße in Gföhl bewahrt in stiller Treue seinen Namen!“

Gemeinderat 10.1.1902
Herr Dr. Pollhammer k.k. Notar in Krems und Ehrenbürger von Gföhl begeht im Laufe des Monats Februar 1902 sein 70. Geburtsfest. Der Bürgermeister stellt nun die Anfrage, ob dem genannten Herrn aus diesem Anlasse nicht eine Ovation von  Seite der Gemeinde bereitet werde und eröffnet hierüber die Debatte. Die Gemeindevertretung beschließt, dem Herrn Dr. Pollhammer, k.k. Notar in Krems und Ehrenbürger von Gföhl, anlässlich seines 70. Geburtstages im Verein mit der Sparcasse ein Ölgemälde, darstellend das Wappen von Gföhl, umgeben von Symbolen und Emblemen der Sparcasse und Feuerwehr zu überreichen. Zur Überreichung des Ölgemäldes wird von Seite der Gemeinde Herr Haslinger und H. Lechner Karl sen. bestimmt. Die Ausführung des Ölgemäldes wird dem Maler Herrn Scherer übertragen, welcher Herr sich bereit erklärte, das Gemälde um circa 100 Kronen anzufertigen.

Quellen:

  • Heimatbuch Gföhl, BHW, 1982
  • Das Waldviertel, Eduard Stepan, 1931
  • Österreichisches Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation; Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
  • Gemeinderatsprotokolle, Gemeinde Gföhl

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