DOLLFUSS Engelbert Dr., Bundeskanzler (1934)
Österreichisches Biographisches Lexikon
Dollfuß Engelbert (1892 – 1934)
Geboren in Texing bei Mank am 4.10. 1892, gestorben in Wien am 25.7.1934.
Aus einer Kleinbauernfamilie; studierte Jus in Wien, Nationalökonomie in Berlin und diente im 1. Weltkrieg bei den Tiroler Kaiserjägern. Nach Kriegsschluss beendete er seine Studien in Berlin,
Dr. jur., arbeitete in der Vereinigung der dt. Bauernver. Und im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen; dann Sekretär des N.ö. Bauernbundes, 1927 Amtsdirektor der N.ö.
Landeslandwirtschaftskammer, Obmann des Überwachungsausschusses der N.ö. Landwirtschaftskrankenkasse, später deren Präsident; führte Gründung und Organisation der
Landarbeiterversicherungsanstalt für Wien, NÖ. und Burgenland durch und bearbeitet das Projekt einer Getreideeinfuhrstelle; 1930 Präsident der Verwaltungskommission der Bundesbahnen, 1931
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, im Mai 1932 außerdem Bundeskanzler und Minister des Äußeren. Er setzte den Lausanner Anleihevertrag durch und als am 4.3.1933 der Nationalrat durch
den Rücktritt seiner Präsidenten aktionsunfähig geworden war, unternahm er den Versuch eines Umbaues des Staates auf autoritär-ständisch-christlicher Grundlage. Er löste am 19.6.1933 die NSDAP
auf, verkündete am 11.9.1933 im Wiener Stadion die Grundsätze des neuen Staatsprogrammes und vereinigte die christlichsoziale Partei, den Heimatschutz und andere Gruppen zur „Vaterländischen
Front“. Am 30. Oktober 1933 erfolgte ein erstes Revolverattentat, das ihn aber nur leicht verletzte. Im Jänner 1934 protestierte er in Berlin gegen Einmengungen in österreichische Verhältnisse
und brachte im Februar die Dreimächteerklärung Frankreichs, Englands und Italiens für die Unabhängigkeit Österreichs und im Mai den Romvertrag mit Mussolini und dem ungarischen
Ministerpräsidenten Gömbös zustande. Im Februar 1934 unterdrückte er die Erhebung der sozialdemokratischen Partei mit Waffengewalt, löste sie auf und beseitigte Parlament und Parteienstaat,
verlieh der „Vaterländischen front“ öffentlich-rechtlichen Charakter und proklamierte am 1. Mai 1934 die neue, ständische Verfassung. Am 25. Juli 1934 wurde Dollfuß bei einem
nationalsozialistischen Putschversuch im Bundeskanzleramt ermordet.
Verhandlungsschrift
aufgenommen in der am 17. Mai 1934 stattgefundenen Sitzung des Gemeinderates Gföhl.
Anwesend die Herren:
Bürgermeister Karl Kippes, Vizebürgermeister Anton Huber und die Gemeinderäte Brenner Franz, Ernst Johann, Leutgeb Johann, Pfeiffer Franz, Preslitzka Ferdinand, Prinz Karl, Rerych Anton und
Weißenböck Karl.
Über Antrag des Herrn Vizebürgermeisters Huber wird einstimmig beschlossen, den Herrn Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß mit Rücksicht auf seine Verdienste, die er sich um
Österreich erworben hat zum Ehrenbürger zu ernennen.
Verhandlungsschrift
aufgenommen in der Trauer-Sitzung des Gemeinderates von Gföhl, die am Samstag, dem 28. Juli 1934 um 19 Uhr anläßlich des durch feige Mörderhand verstorbenen Ehrenbürgers der
Marktgemeinde Gföhl Herrn Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß stattfand.
Anwesend der Gemeinderat mit Ausnahme der Herren Huber, Rerych und Pfeiffer.
Der Bürgermeister begrüßt die Anwesenden und eröffnet die Trauersitzung.
Er würdigt nun das Leben und Wirken unseres nimmermüden Kanzlers, der durch feige Mörderhand am 25. Juli 1934 ermordet wurde. Er ist einer der Besten gewesen, die wir besessen haben; sein
Wirken zielte auf Frieden und Verständigung aller hin. Seine letzten Worte waren Worte des Friedens. Er hat ein großes Werk begonnen, das wir nun alle vollenden helfen müssen. Jeder möge sein
Scherflein beitragen zur Befriedung und Einigkeit. In Anerkennung seiner Verdienste um unser Vaterland Österreich hat ihn die Marktgemeinde Gföhl zum Ehrenbürger ernannt. Nun möge der
Nimmermüde ausruhen! Die Erde sei ihm leicht!
Zum Zeichen der Trauer erheben sich die Herrn von den Sitzen.
Hierauf bringt der Vorsitzende des an Frau Alwine Dollfuß gerichtete Telegramm zur Verlesung.
Schluß der Sitzung 19 Uhr 20.
Ihrer Exzellenz
Frau Alwine Dollfuß, Wien.
Die Marktgemeinde Gföhl, NÖ. nimmt zu tiefst erschüttert Anteil an Ihrem und Ihrer
Kinder unermeßlichen Schmerz und wird ihrem treuen Gatten, Österreichs großem Kanzler und unserem hohen Ehrenbürger über das Grab hinaus die Treue halten.
Geschlossen und gefertigt:
Kippes
Weißenböck Karl
Ant. Rerych
Gemeinderat 13.6.1935
Zuschrift der V.F. [Vaterländische Front] / Kulturreferat / wegen Umbenennung des Marktplatzes in Dr. Dollfußplatz. Herr GR Leutgeb beantragt, daß der Hauptplatz wunschgemäß umbenannt wird.
Ein-stimmig
Bezirkskundgebung der Vaterländischen Front. Am 13. Oktober 1935 findet die in der Presse angekündigte große Bezirkskundgebung der Vaterländischen Front statt, bei welcher nach einer von Pfarrer Hilber zelebrierten Messe die Bezirksfahne geweiht wird und dem Ehrenbürger des Bezirkes, Minister und Landeshauptmann Josef Reither die Urkunde der Titelverleihung überreicht wird. Nach Ansprachen des Landesführers der V.F., Ing. Dworschak [er ist mit einer Schwester des Gföhler Mechanikermeisters Josef Heß verheiratet], und des Ehrengastes ziehen die Gäste auf der Hauptstraße Richtung Kremserstraße. Voran marschiert der Kameradschaftsverein der Post- und Telegraphenwehr, dann folgt der Mädchenring der O.S.S., die christlich-deutschen Turner, die Feuerwehr, die Wehrverbände, die Reichsbund(Burschenbund)kapelle, die Feuerwehrmusik, und zum Abschluss der Hesserbund. Hauptpunkt ist aber die Enthüllung des „Dollfuß-Denkmales“ in der Kirche neben dem Kriegerdenkmal. Die Tafel aus rotem Marmor trägt die Inschrift: „Unseren Kanzlern Dr. Ignaz Seipel und Dr. Engelbert Dollfuß, Ehrenbürger von Gföhl, in dankbarer Erinnerung“.
Die Gedenktafel wird in der NS-Zeit wieder entfernt.
Ehrenbürgerernennung gemäß Gemeinderatsbeschluss vom 17.5.1934.
Nichtigkeitsbeschluss vom 14.6.1938
Quellen:
- Heimatbuch Gföhl, BHW, 1982
- Österreichisches Biographisches Lexikon, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Gemeinderatsprotokoll
- Bezirkschronik Gföhl II, Friedrich Weber, 2007